Tar-Syndrom
Herzlich Willkommen
Michael
Ich bin Michael und wurde im August 1968 in
Annaberg-Buchholz geboren. Die Ärzte kannten
damals meine Erkrankung nicht und fragten in der
Universität in Leipzig nach. Eine amerikanische
Krankheit, die als Trias (3 Erkrankungen) auftritt,
hieß es. Bei mir sind die Thrombozytopenie und
das Fehlen beider innerer Unterarmknochen
(Radius) bekannt. Als drittes habe ich eine
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. Somit ein Trias!
Von Oktober 1968 bis Februar 1969 war ich
wegen der niedrigen Thrombozyten im
Krankenhaus. Diese lagen damals bei 4.000
(lebensgefährlich). Einige Transfusionen bekam
ich in dieser Zeit, und im Februar ein
Thrombozytenkonzentrat aus dem Blut meines
Vatis. Sein Blut wurde während der Gabe bei mir
untersucht. UND: Mein Vati hatte eine Hepatitis
und somit bekam ich krankes Blut. Aber ich
bildete Thrombozyten, genügend, um zu
überleben. Am 22.02.1969 durfte ich nach Hause.
Im Dezember 1969 wurde mein Bruder geboren
und wir beide wuchsen in einer behüteten Familie
im Erzgebirge auf. Meine Lippen-Kiefer-Gaumen-
Spalte wurde 1971 in Tallwitz (bei Leipzig)
operiert. Stationär war ich in der Uniklinik in
Leipzig, weil meine Thrombozyten gering waren.
Ich besuchte ein Jahr vor der Einschulung einen
Kindergarten. Es wurde getestet, wie ich auf
andere Kinder zugehe und wie sie auf mich mit
meinem Handicap reagieren. Es klappte gut.
Therapeutisch war ich zu einer ambulanten Kur in
Thermalbad Wiesenbad (bei Annaberg-
Buchholz). Hier lernte ich Rückenschwimmen,
viel mit den Füßen zu machen (Dinge vom Boden
aufheben, Strümpfe anziehen und anderes mehr)
und ich hatte therapeutisches Reiten. Dies war für
mein Gleichgewicht sehr gut und wichtig.Im
September 1975 wurde ich eingeschult. Ich ging
in eine Schule, in der keine anderen behinderten
Schüler waren. Außer in Sport wurde ich in allen
Fächern unterrichtet. Auch für Musik, Kunst,
Werken und auch Handarbeit (2 Jahre) habe ich
Zensuren bekommen. Ich habe im Schulchor
mitgesungen und es hat mir viel Freude bereitet.
Während der Schulzeit hatte ich drei Operationen
an den Armen/Händen. Diese wurden immer am
Anfang der Sommerferien durchgeführt, um mich
danach zu erholen und bis zum Schulbeginn
wieder fit zu sein.
Meine linke Hand wurde auf der Ulna mit einer
Platte verschraubt. Diese ist jetzt gerade und ich
kann sie gut verwenden. Bei der zweiten
Operation sollte die Starre im Ellenbogen (links)
korrigiert werden. Dies ging nicht, weil durch den
Bizeps der Hauptnerv für die Hand läuft. Bei der
dritten Operation, diesmal rechts, wurde die Hand
nur leicht gestreckt und mit Drähten fixiert. Die
Hand ist zwar noch ein wenig eingewinkelt, aber
beim Hantieren ist dies gut.
Einen weiteren gesundheitlichen Rückschlag
erlebte ich auch während der Schulzeit. Zur
dritten Handoperation habe ich mich nachts am
Kopf (rechts) an einem Nachtisch gestoßen, eine
große Beule entstand. Diese war im Winter immer
noch da und ich wurde zur Computertomografie
nach Dresden geschickt. Ein Kopftumor wurde
diagnostiziert. Im Dezember 1983 und März
1984 wurde ich daran in Chemnitz in der
Neurochirurgie operiert. Meine optimistische
Lebenseinstellung, die ich habe, lies mich bei der
Diagnose Kopftumor im Stich. Ich fiel in ein Loch.
Die Familie war besonders in dieser Zeit für mich
da und meine Eltern haben mich täglich in
Chemnitz besucht, ein halbes Jahr lang. Ende
Mai kam ich wieder nach Hause. Die Klasse 9,
die ich besuchte, sollte ich wiederholen. Ich
würde in die Klasse meines Bruders kommen.
Somit besuchte ich mit ihm 4 Jahre bis zum Abitur
1988.
Dann studierte ich in Potsdam Sozialfürsorge.
Drei Jahre dauerte das Studium. Im September
1991 begann ich meine berufliche Tätigkeit im
Sozialamt. 1994 wurde ich nach einer
Zusatzqualifizierung als Sozialarbeiter anerkannt.
Weitere Arbeitgeber waren die Arbeiterwohlfahrt
in Dresden, ein Bildungsträger in Pirna und das
Sächsische Krankenhaus in Großschweidnitz.
Die Diagnose TAR-Syndrom habe ich 2012 nach
einer speziellen Blutuntersuchung durch die
Charité Berlin bekommen.
Seit März 2015 erhalte ich eine
Erwerbsminderungsrente, diese ist nicht nur
wegen des TAR-Syndroms. Ich bin in diversen
Organisationen ehrenamtlich tätig. Demnächst
beginne ich eine geringfügige Beschäftigung im
sozialen Bereich.
Michael